Herausforderungen im Krisenmanagement der NASA – Einblicke von Thomas Zurbuchen
In seinem Vortrag über das Krisenmanagement bei der NASA gab Thomas Zurbuchen, ehemaliger Wissenschaftsdirektor der NASA, spannende Einblicke in den Umgang mit Krisen und die unverzichtbare Rolle von Resilienz und Entscheidungsfindung. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse und Empfehlungen aus Zurbuchens Erfahrungen:
1. Umgang mit plötzlichen Krisen
Zurbuchen verdeutlicht, wie die NASA nach dem „First Story-Prinzip“ auf Krisen reagiert, die plötzlich und unerwartet auftreten:
- Nicht sofort reagieren: Oft ist es klüger, erst eine Indikation des Problems zu sammeln und Fragen zu stellen, anstatt direkt eine Lösung zu suchen.
- Keine Schuldzuweisungen: Zunächst geht es nur darum, die Krise zu verstehen und nicht nach Verantwortlichen zu suchen.
- Offene Kommunikation: Ein Umfeld schaffen, in dem über die Krise offen und vor allem früh gesprochen werden kann, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Konsequenzen muss es allerdings haben, wenn zu spät informiert wird.
- Krisenstab aufbauen: Bei roten Fahnen ist schnelle Kommunikation und koordiniertes Handeln entscheidend. Hierarchien werden umgestürzt – das Wissen und die Ideen derjenigen, die am meisten über die Situation wissen, sind von größter Bedeutung.
2. Langsame Krisen frühzeitig erkennen
Langsame, schleichende Krisen sind oft schwerer zu identifizieren als plötzliche Schocks:
- Frühe Risikoeinschätzung: Prozesse etablieren, die es ermöglichen, über Risiken zu sprechen, die noch nicht akut sind.
- Trendanalysen: Die Fähigkeit, langsame Trends zu erkennen, ist entscheidend. Häufig sind schleichende Krisen schwieriger zu bewältigen, da ihre Gefahr oft unterschätzt wird.
3. Effektive Entscheidungsfindung
Die Entscheidungskompetenz im Team und die Hierarchie der Entscheidungen spielen eine zentrale Rolle:
- Two-Way Doors: Für reversible Entscheidungen, die wieder korrigiert werden können, sollen Teams autonom handeln können, ohne Zurbuchen als Führungskraft einbinden zu müssen.
- One-Way Doors: Nicht umkehrbare Entscheidungen, wie etwa Raketenstarts sind Chefsache. Hier geht es darum, alle verfügbaren Daten zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Entscheidung auf einer soliden Grundlage steht.
- Richtige Leute einstellen: Die wichtigste Entscheidung ist es, die richtigen Mitarbeiter zu rekrutieren. Transparenz und Vertrauen in die Kompetenz des Teams sind essenziell, um den eigenen Schreibtisch nicht zur Warteschlange der Firma werden zu lassen.
4. Teamkultur und Fehlerakzeptanz
Eine offene, innovative Kultur erfordert ein positives Verständnis von Fehlern:
- Fehlerquote und Geschwindigkeit: Zu wenige Fehler bedeuten oft, dass man sich zu langsam bewegt. Fehler sind Teil des Prozesses – allerdings sollten unnötige, dumme und vermeidbare Fehler vermieden werden.
- Erwartungen transparent machen: Eine klare Kommunikation entlang der Hierarchien ist essenziell, um sicherzustellen, dass die Erwartungen „oben“ auch „unten“ ankommen.
- Fokus und lernen: keine Laptops an Meetings. Zweite Garde mit dabei zum Lernen.
- Erfolg der Chefetage: es passieren in den Büros die richtigen Dinge, wenn die Chefs nicht drin hocken.
5. Resilienz und Selbstmanagement
Resilienz und das eigene Wohlbefinden sind zentrale Faktoren, um Krisen zu bewältigen:
- Fokus auf das Kontrollierbare: Energie sollte auf die Aspekte gerichtet sein, die man selbst beeinflussen kann.
- Gesundheit und Schlaf: Gute Gesundheit und ausreichend Schlaf gehören zur Grundausstattung eines resilienten Mitarbeiters.
- Stoizismus: Mit stoischer Haltung und der Akzeptanz des Worst-Case-Szenarios (kein Verdrängen von schlimmen Ereignissen) kann man mentale Stärke aufbauen und die Konzentration bewahren. Zurbuchen schreibt zum Beispiel Reden für einen schlechten Ausgang von Ereignissen.
Empfehlungen für Führungskräfte
- Offene und sichere Kommunikation fördern: Schaffen Sie ein Umfeld, in dem offen über Probleme gesprochen werden kann, ohne dass Schuldzuweisungen im Vordergrund stehen.
- Entscheidungskompetenz stärken: Erlauben Sie den Teams, eigene Entscheidungen zu treffen, wenn diese reversibel sind, und übernehmen Sie Verantwortung bei nicht umkehrbaren Entscheidungen.
- Langsame Krisen ernst nehmen: Entwickeln Sie Prozesse, um langfristige Risiken frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen.
- Resilienz als Priorität: Sorgen Sie für Ihre eigene Gesundheit und die Ihrer Mitarbeiter – ausreichender Schlaf und Bewegung sind Grundlage für Belastbarkeit.
- Mit Fehlern konstruktiv umgehen: Akzeptieren Sie Fehler als Teil des Wachstumsprozesses. Eine zu geringe Fehlerquote ist oft ein Zeichen dafür, dass das Team nicht risikobereit genug handelt.